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Praxisbeispiele
aus Gemeinden

Barbara Seewer
Co-Stellenleiterin Gemeindeschreiberei Wichtrach
Arbeitsmodell:Topsharing
Die Kommunikation ist das wichtigste Thema bei einer Co-Leitung.

Im bernischen Wichtrach arbeitet Barbara Seewer seit mehreren Jahren im Topsharing als Gemeindeschreiberin. Im folgenden Interview erzählt sie von ihren Erfahrungen mit dem Arbeitsmodell.

Barbara Seewer, wie kam es dazu, dass in Wichtrach ein Topsharing auf Stufe Gemeindeschreiberei eingeführt wurde?

Ich arbeitete während sieben Jahren 80 Prozent als Gemeindeschreiberin von Wichtrach und wurde dann schwanger. Mein Vorgesetzter war bereit, eine Lösung zu finden, damit ich nach dem Mutterschaftsurlaub in einem reduzierten Pensum weiterarbeiten konnte. Die Finanzabteilung kannte damals schon das Teilzeit-Führungsmodell, und wir wollten es auf Stufe Gemeindeschreiberei auch ausprobieren. Die grosse Frage war natürlich, ob wir ein ‘Gegenstück’ zu mir finden würden. Glücklicherweise mussten wir die Stelle nicht ausschreiben, weil sich per Zufall eine Lösung mit einer Nachbargemeinde ergab. Diese fusionierte, wodurch es zu Umstrukturierungen kam.

Die damalige Gemeindeschreiberin dieser Nachbargemeinde ist auch Mutter und wir fragten sie an, ob sie Interesse an einem Topsharing mit mir hätte. Daraufhin besuchte sie uns in Wichtrach und wir lernten uns kennen.

Wie haben Sie und Ihre Stellenpartnerin das Topsharing organisiert?

Insgesamt stehen uns 120 Stellenprozente zur Verfügung. Diese mussten damals von der Gemeindeversammlung bewilligt werden. Die Erhöhung des Pensums von damals 80 Prozent auf heute 120 Prozent hat damit zu tun, dass ich neu die Stellvertretung unseres Geschäftsleiters übernommen habe und ich im Redaktionsteam unseres Gemeindemagazins mitwirke. Als das Topsharing eingeführt wurde, verteilten wir intern die Pensen neu. Ich arbeite momentan an 3,5 Tagen (ein halber Tag im Homeoffice), meine Stellenpartnerin an 2,5 Tagen. An einem Vormittag sind wir gemeinsam im Büro und tauschen uns aus. In der Regel reichen diese 10 Prozent aus, um uns zu koordinieren. Wir können uns aber auch privat telefonisch kontaktieren, wenn es etwas Dringendes zu besprechen gibt.

In der Regel arbeiten wir vor Ort, wir haben aber beide die Möglichkeit, Homeoffice zu machen.

Nach welchen Kriterien teilten Sie die Arbeit untereinander auf?

Die Ressorts haben wir gemäss unseren persönlichen Präferenzen und meinem Vorwissen, das ich bereits von der Gemeinde mitbrachte, aufgeteilt. Wir schauten darauf, wer wo stark ist und wie wir uns optimal ergänzen können. Das Interessante ist, dass meine Stellenpartnerin und ich sehr gegensätzlich sind. Aber das Modell funktioniert; man muss einfach offen sein.

Wie kommunizieren Sie miteinander?

Die Kommunikation ist das wichtigste Thema bei einer Co-Stellenleitung. Wir nehmen uns bei E-Mails häufig ins Cc. Der private Austausch ist auch wichtig.

Ausserdem haben wir ein Geschäftsverwaltungsmodell und nutzen eine entsprechende Software. So sehen beide, was gerade läuft und wer woran arbeitet. Das ist sehr praktisch. Viele Prozesse sind digitalisiert. Wenn ich also nicht arbeite, aber etwas Dringendes wäre, könnte meine Stellenpartnerin bei meinen Aufgaben weiterfahren.

Woran muss eine Verwaltung formell denken, wenn sie Topsharing neu einführen möchte? 

Die Pflichtenhefte müssen korrekt und optimal aufeinander abgestimmt sein. Das Organigramm sollte man natürlich auch anpassen, und die Zuständigkeiten müssen geklärt sein.

Welches sind die wichtigsten Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches Topsharing?

Das A & O ist ein Verständnis des Arbeitgebers. Und natürlich ist es auch sehr wichtig, dass das Tandem miteinander harmoniert. Es ist eine schlechte Voraussetzung, wenn man einander nicht sympathisch ist. Die Stellenpartner*innen müssen ehrlich zueinander sein, damit beiden wohl ist. Wichtig ist auch, dass der Ausbildungsstand und die beruflichen Erfahrungen der beiden in etwa gleich sind. Es sollte die Bereitschaft vorhanden sein, auch einmal an einem arbeitsfreien Tag geschäftlich zu telefonieren. Zudem gilt es, offen zu sein für andere Anliegen und Sichtweisen. Vor dem Topsharing arbeitete ich gut sieben Jahre lang alleine. Es heisst nicht, dass die Art, wie ich damals arbeitete, die richtige war.

In kleineren Verwaltungen sind allenfalls die Räumlichkeiten eine Herausforderung. Wenn beispielsweise meine Stellenpartnerin und ich gemeinsam vor Ort am Arbeiten sind, muss eine von uns an einen anderen Arbeitsplatz ausweichen. Und nicht zuletzt ist natürlich das Verständnis des gesamten Teams wichtig.

Wie verläuft die Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat?

Für den Gemeinderat sind wir beide Ansprechpersonen; je nachdem, um welches Geschäft es sich handelt. Der Gemeinderat weiss, wer wofür zuständig ist. Das hat sich mit der Zeit eingependelt.

Vor dem Topsharing war ich die Stellvertreterin des Geschäftsleiters. In der Anfangsphase des Topsharings haben meine Stellenpartnerin und ich diese Aufgabe noch geteilt. Der Gemeinderat wünschte sich dann aber eine Ansprechpartnerin, die entscheidet. Seitdem bin ausschliesslich ich als Stellvertreterin des Geschäftsleiters eingesetzt.

Dank unseres Geschäftsleitungsmodells haben wir einen Geschäftsleiter mit einem 100%-Pensum. Dieses Modell würde ich empfehlen, wenn man Topsharing einführen möchte.

An den Sitzungen mit dem Gemeinderat ist in erster Linie unser Geschäftsleiter anwesend. Wenn er abwesend ist, nehme ich oder meine Stellenpartnerin an den Sitzungen teil.

Welches waren die grössten Hürden, als Topsharing neu eingeführt wurde?

Die grösste Herausforderung war es, die Akzeptanz beim Geschäftsleiter und beim Gemeinderat zu bekommen. Auch die Kommunikation war und ist herausfordernd. Es geht ja nicht nur um den Austausch zwischen mir und meiner Stellenpartnerin, sondern auch um die Kommunikation mit den Mitarbeitenden, dem Geschäftsleiter und dem Gemeinderat.

Es lief nicht alles auf Anhieb optimal. Wir machten Fehler; aber daraus lernt man. Wir haben Einiges optimiert und inzwischen läuft es wirklich gut.

Was hat sich bewährt?

Die Arbeitsaufteilung hat sich eindeutig bewährt. Es war gut, dass von Beginn an klar war, wer wofür zuständig ist. So mussten nicht ständig Absprachen getroffen werden. Gleichzeitig ist es auch zu empfehlen, dass das Tandem ungefähr Bescheid weiss, wer woran gerade arbeitet. So kann man einander vertreten und weiterarbeiten, wenn zum Beispiel jemand krankheitsbedingt ausfällt.

Auch die Kommunikation zwischen mir und meiner Stellenpartnerin hat sich bewährt. Der Austausch muss offen und ehrlich sein. Man soll einander sagen können, wenn einen etwas stört.

Wo sehen Sie den Mehrwert des Topsharing-Modells für Sie persönlich?

Nach dem Mutterschaftsurlaub musste ich keine neue Stelle suchen, sondern konnte beim gleichen Arbeitgeber wiedereinsteigen und mich weiterhin für dieselbe Gemeinde einsetzen. Das Topsharing-Modell ist sehr familienverträglich.

Inwiefern profitiert der Arbeitgeber?

Aufgrund des Fachkräftemangels hätte es gut sein können, dass für meine damalige Stelle keine Nachfolge gefunden worden wäre. Oder dass die Gemeinde eine Person eingestellt hätte, die gar nicht zur Verwaltung passt. Positiv ist sicher auch, dass ich mehrere Jahre Arbeitserfahrung in der Gemeinde hatte und Vieles bereits kannte, gleichzeitig aber noch eine neue Person angestellt wurde, die eine andere Sichtweisen einbrachte.

Der Arbeitgeber profitiert auch durch die doppelte Fachkompetenz und die unterschiedlichen Perspektiven der Stelleninhabenden. Auch für die Mitarbeitenden kann es von Vorteil sein, wenn sie zwei Ansprechpersonen haben. Im Weiteren ist die Einarbeitung einer neuen Fachperson für den Arbeitgeber jeweils sehr kostspielig und zeitlich aufwendig.

Wo sehen Sie Nachteile?

Es braucht zusätzliche Stellenprozente (ca. 10 Prozent), damit sich das Tandem absprechen kann. Für den Arbeitgeber ist das finanziell ein Nachteil.

Wie hat die Bevölkerung darauf reagiert, dass es zwei Gemeindeschreiberinnen gibt?

Für die Bevölkerung spielt es keine Rolle, dass wir im Topsharing arbeiten. Den Einwohnenden ist wichtig, dass ihr Anliegen bearbeitet wird, dass man da ist für sie und ihnen eine Antwort gibt. Ob das Frau X oder Frau Y macht, ist sekundär.

07.06.2023

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Mario Peverelli
Projektleiter digitale Transformation bei der Gemeinde Thalwil
Arbeitsmodell:Führung & Kooperation auf Distanz
Die Mitarbeitenden schätzen den eigenen Gestaltungsspielraum.

Die Gemeinde Thalwil führte bereits diverse Aktivitäten durch, um gute Rahmenbedingungen für das mobil-flexible Arbeiten in der Verwaltung zu schaffen. Neben der Ausarbeitung und Weiterentwicklung eines Reglements, welches das Mobile-Office formell festlegt, führte die Gemeinde mit dem Kader aller Dienstleistungszentren Sensibilisierungs-Workshops zum Thema durch. Auch die einzelnen Teams werden unterstützt, indem sie sogenannte Teamcharta-Workshops besuchen können. In diesen Workshops geht es darum, dass die jeweiligen Teams klären, wie sie ihre Arbeit organisieren, wenn nicht alle Teammitglieder immer vor Ort im Büro, sondern auch mobil-flexibel arbeiten. Ziel der Workshops ist es, dass die Mitarbeitenden Auswirkungen von Mobile-Office reflektieren und entsprechende Massnahmen zum effektiven und gesunden Umgang damit identifizieren. Abschliessend können sie eine Teamcharta erstellen, um die konkrete Zusammenarbeit im Team mit Bezug zu Mobile-Office zu definieren.

Mario Peverelli, Sie sind Projektleiter digitale Transformation bei der Gemeinde Thalwil und führten bis jetzt 7 Teamcharta-Workshops mit rund 90 Personen durch. Welcher Vorteil von Mobile-Office wird von den Mitarbeitenden am meisten genannt?

Die Mitarbeitenden schätzen hauptsächlich das ihnen entgegengebrachte Vertrauen und die Möglichkeit, die Details (innerhalb der festgelegten, übergeordneten Regeln) in den «autonomen» Teams selbstorganisiert zu entscheiden. Das gibt mehr örtliche und zeitliche Flexibilität im Arbeitsalltag und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit.

Wo sehen die Teams die grössten Herausforderungen in Bezug auf Mobile-Office?

Die grössten Herausforderungen in der öffentlichen Verwaltung liegen momentan bei den Schalteröffnungszeiten und den gesetzlichen Rahmenbedingungen, welche Mobile-Office deshalb oft erschweren oder (noch) verunmöglichen. In den wenigsten Fällen ist es die Technologie, denn dort sind wir gut ausgerüstet oder rasch und flexibel, falls es Unterstützung für Mobile-Office benötigt. Die Herausforderung der einzelnen Mitarbeitenden liegt darin, sich mit der für einige «neuen Freiheit» anzufreunden und mehr (Eigen-)Verantwortung zu übernehmen.

Wie geht die Verwaltung mit diesen Herausforderungen um?

In den Workshops wurden die obengenannten Themenbereiche transparent angesprochen, und wir haben im Rahmen der individuellen Möglichkeiten teamspezifische Lösungen ausgearbeitet und vereinbart. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen liegen nicht in unseren Händen, da diese oftmals kantonal oder auf Bundesebene geregelt werden. Je nach Thema oder Bereich ist eine Gesetzesanpassung im Gange oder bereits beschlossen (z.B. qualifizierte elektronische Signatur, Nutzung von Cloudlösungen wie z.B. Microsoft 365) oder es braucht wahrscheinlich noch etwas länger Zeit (Sozialbereich, Betreibungsämter). Das Thema der Schalteröffnungszeiten wird momentan in der Verwaltungsleitung diskutiert, welche sich dieser Situation bewusst ist. Die Mitarbeitenden werden laufend über Veränderungen und Entscheide informiert.

Die Workshop-Teilnehmenden haben während und nach dem Workshop eine sogenannte Teamcharta entworfen. Wie muss man sich solch eine Charta vorstellen?

Die Teamcharta ist ein Canvas mit verschiedenen Fragen zu diversen Themen rund um Mobile-Office, welche durch die «autonomen» Teams gemeinsam beantwortet werden. Dieses Canvas wurde gemeinsam anlässlich des Workshops ausgefüllt und gilt als «Teamvertrag». Es wird im Idealfall an einem geeigneten Ort aufgehängt, sodass sowohl die bestehenden als auch die neuen Teammitglieder dies stets sehen können. Es zeigt auf, was das Team zum Thema Mobile-Office vereinbart hat.

Welches sind die häufigsten Themen, welche die Teams in ihrer Charta geregelt haben?

Bei uns gilt die Regel, dass man minimal einen Tag pro Woche im Büro sein muss und dass dieser Tag der «Teamtag» sein soll, damit man sich vor Ort austauschen kann. Dieser Teamtag ist auf dem Canvas geregelt. Ansonsten sind die folgenden Themen teamweise geregelt:

  • Rollen der einzelnen Teammitglieder
  • Teamziele
  • Art und Weise von Arbeitszeiterfassung, Kalendereinträge (auch in welchem Tool)
  • Kommunikationskanäle und Responsetime bei Kontaktanfragen (intern / extern)
  • Gemeinsame Ablage (Ort / Tool)
  • Notwendige Technik für Mobile-Office
  • Gestaltung des Teamaustauschs zur Förderung des Teamgeistes
  • Erwartungen der Führungskräfte und Mitarbeitenden zum Thema «Führung auf Distanz»
  • Offene Punkte, die noch zu lösen / entscheiden sind

Mit welchen Tools kommunizieren die Mitarbeitenden, wenn sie an verschiedenen Orten am Arbeiten sind?

Wir unterscheiden zwischen intern und extern. Extern nutzen wir momentan Telefon (mit einer App-Lösung, sodass man auch remote mit der Geschäftstelefonnummer telefonieren kann) und E-Mail als Hauptkommunikationsmittel. Intern haben wir auch ein Chat-Tool. Wir planen die Einführung von Microsoft 365. Mit dieser Einführung wird sich die Art und Weise der Kommunikation innerhalb der Verwaltung aber auch gegen aussen verändern. Diese Veränderung wird geschult und begleitet, sodass alle Mitarbeitenden über das notwendige Know-how, aber vor allem auch über das Know-why verfügen. Wir rechnen damit, dass die E-Mail-Flut dadurch abnehmen und das gemeinsame, gleichzeitige Arbeiten und Austauschen (Stichwort Teams) zunehmen wird.

Welche Aktivitäten unternehmen die Teams, um ihren Team-Geist zu erhalten?

Das ist individuell geregelt und dies ist auch gut so. Die einen Teams machen z.B. miteinander Pausen, gehen zusammen Mittagessen, treffen sich zum Apéro, organisieren Team-Events oder gehen nach dem Arbeiten miteinander aus. Dazu machen wir bewusst keine Vorschriften, denn was für das eine Team stimmig ist, passt für das andere Team überhaupt nicht. Die Gemeinde stellt pro Mitarbeitenden einen Betrag zur freien Verwendung in den Teams zur Verfügung. Zudem wird den übergeordneten Anlässen, wie Personalabend, Personalausflug, Weihnachtsapéro usw. die entsprechende Gewichtung verliehen.

Welche Erkenntnisse gewann die Gemeinde aus den verschiedenen Workshops?           

Die Teilnehmenden empfinden die Möglichkeit für Mobile-Office als äusserst positiv. Sie schätzen das ihnen entgegengebrachte Vertrauen und den eigenen Gestaltungsspielraum. Sehr viele Mitarbeitende und Führungskräfte haben erwähnt, dass dies sehr viel zur Arbeitgeberattraktivität beiträgt.

Es gibt meiner Meinung nach zwei Fokusthemen:

  • Schalteröffnungszeiten
  • Unterstützung der Führungskräfte (neue Art und Weise der Führung auf Distanz)

Optimierungspotenzial gibt es beim Thema «Modern Workplace». Mit den neuen Kommunikations- und Kollaborationsmöglichkeiten einer cloudbasierten Microsoft 365-Lösung (inkl. Teams auch als Videokonferenzmöglichkeit) und dem damit verbundenen Kulturwandel wird dem Thema im Jahr 2024 bewusst genügend Raum gegeben. Wir legen einen sehr grossen Wert auf die Schulung und die Befähigung der Mitarbeitenden und der Führungskräfte.

Wie ist Mobile-Office aktuell in Thalwil geregelt?

Wenn es die Auftragserfüllung zulässt, können grundsätzlich alle Mitarbeitenden, unabhängig von Funktion und Pensum, mobil-flexibel arbeiten (im Rahmen der für alle gültigen Regeln). Wo sinnvoll, können dies auch die Lernenden. Dort wird die Situation jeweils individuell beurteilt. Es gibt natürlich auch Tätigkeiten, die vor Ort ausgeführt werden wie z.B. Aussendienst (Werke, Gärtner), schulergänzende Betreuung (Hort, Mittagstisch), Hauswartung, Bademeister, Jugendarbeit etc. Dort sind die Möglichkeiten von Mobile-Office sehr beschränkt oder teilweise gar nicht möglich. Wir sind uns dessen bewusst und haben auch ein besonderes Augenmerk darauf, sodass kein Empfinden eines «Zweiklassen-System» aufkommt. Die Möglichkeit von Mobil-Office hat nichts mit der Wichtigkeit der Aufgabe zu tun, sondern ist von der Tätigkeit abhängig. Man ist weder besser noch schlechter gestellt.

In welchem Umfang können die Mitarbeitenden mobil-flexibel arbeiten?

Grundsätzlich muss man bei uns minimal einen Tag vor Ort sein, unabhängig vom Pensum, der Funktion oder der Führungsstufe. Weitere Regeln sind, dass der Arbeitsort in der Schweiz sein muss (aber nicht zwingend zuhause) und dass man von Montag bis Samstag zwischen 06.00 Uhr und 21.00 Uhr seine Arbeitstätigkeit verrichten muss. Über allem gilt die professionelle Auftragserfüllung. Auf die Herausforderungen und Einschränkungen (Gesetz, Schalteröffnungszeiten) habe ich bereits hingewiesen.

Welches sind die nächsten Schritte der Gemeinde Thalwil hinsichtlich Mobile-Office?

Die Verwaltungsleitung wird sich in nächster Zeit intensiv mit den Rückmeldungen und Wünschen aus den Workshops befassen und Entscheide fällen. Zudem wird das Reglement überarbeitet. Mobile-Office ist ein wichtiger Bestandteil der momentan stattfindenden digitalen Transformation in der Gemeinde Thalwil. Dies wird auch ein Bestandteil in der Digitalisierungsstrategie sein, welche gerade in Überarbeitung ist.

Was sind Erfolgsfaktoren, damit Mobile-Office für alle Beteiligten funktionieren kann?

Mobile-Office ist bei uns ein Angebot. Man darf und kann es nutzen, es muss aber niemand. Es gibt Gründe, warum gewisse Mitarbeitende kein Mobile-Office machen wollen oder können. Die Gründe sind vielfältig (z.B. Platzverhältnisse, Infrastruktur, Lärmbelastung, Familiensituation). Wir respektieren das. Es sollen weder Vor- noch Nachteile entstehen, egal ob und wieviel Mobile-Office gemacht oder nicht gemacht wird. Ein vertrauensvoller und transparenter Austausch im Team (und anlässlich der Workshops) ist unabdingbar. Ebenso wichtig ist die Unterstützung der Vorgesetzten und der Verwaltungsleitung.

Inwiefern profitiert ein Arbeitgeber, wenn er seinen Mitarbeitenden Mobile-Office ermöglicht?

Wenn man es gut macht (Konzept, klare Regeln, individueller Spielraum für Teams, Begleitung an Workshops etc.), dann profitiert ein Arbeitgeber dank dem Vertrauensvorschuss von eigenständigeren, engagierteren, zufriedeneren und emotional verbundenen Mitarbeitenden, welche mehr Leistung erbringen und loyaler sind. Dies ist wichtig für das positive Empolyer Branding und einer der Schlüssel gegen den Fachkräftemangel. Es ist ein wichtiger Bestandteil von «New Work», welches zum Ziel hat, die talentiertesten Mitarbeitenden zu finden und zu halten.

15.08.2023

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Astrid Scherzinger
Leiterin des Bereichs Sozialhilfe in der Gemeinde Rüti
Arbeitsmodell:Führen in Teilzeit
Ich wünsche mir mehr offene und mutige Vorgesetzte.

Astrid Scherzinger ist seit dem 1. September 2022 Leiterin des Bereichs Sozialhilfe in der Gemeinde Rüti (ZH). Neben der Führung von fünf Mitarbeitenden gehört auch die konkrete Fallarbeit zu ihren Tätigkeiten. Das Arbeitspensum von Astrid Scherzinger beträgt 70 Prozent.

Astrid Scherzinger, wie verlief Ihr bisheriger Berufsweg?

Nachdem ich im Jahr 2012 das Studium in Sozialer Arbeit abgeschlossen hatte, arbeitete ich mehrere Jahre in verschiedenen Sozialdiensten, vorwiegend im Kanton Zürich. Im Jahr 2018 wechselte ich zur Gemeinde Rüti und war rund vier Jahre lang als Sozialberaterin im Bereich Sozialhilfe tätig. Schon damals kommunizierte ich offen, dass ich grundsätzlich an einer Führungsfunktion interessiert bin. Konkret wurde das Thema, nachdem unser ehemaliger Bereichsleiter Sozialhilfe im Jahr 2022 gekündigt hatte. Aus unserem Team war ausser mir niemand an seiner Nachfolge interessiert. Für mich war rasch klar, dass ich die Leitungsstelle gerne übernehmen möchte. Denn so eine Chance bietet sich einem nicht oft. Ich empfand es stets als einfacher, in eine Leitungsfunktion hineinzuwachsen, als an einem neuen Ort gleich mit einer Führungsposition zu starten, ohne den Betrieb und das Team zu kennen.

Was motiviert Sie dazu, eine Führungsaufgabe auszuüben?

Ich finde es spannend. Gerade in unserem Bereich ist die Bereichsleitung interessant, weil man fachlich in der Arbeit bleiben kann und nicht nur Führungsfunktionen übernehmen muss. Gleichzeitig hat man in der Führung mehr Gestaltungsmöglichkeiten, kann Ideen aus dem Team umsetzen und sich selbst mehr einbringen. Ausserdem denke und plane ich gerne mit; das hilft.

Welche Chancen sehen Sie beim Teilzeit-Führungsmodell?

Dieses Modell ermöglicht mir, dass ich überhaupt in einer Führungsfunktion tätig sein kann. Ich habe zwei schulpflichtige Kinder und möchte nicht Vollzeit arbeiten. Dank dem Teilzeitmodell kann ich sowohl meinen familiären Verpflichtungen wie auch meinen beruflichen Ambitionen nachgehen. Das ist für mich die grösste Chance. Sonst muss man sich immer für, bzw. gegen etwas entscheiden. Ausserdem denke ich, dass dieses Modell auch für andere Mitarbeitende inspirierend ist. Wenn sie sehen, dass es möglich ist, trauen sie sich vielleicht eher? Das ist meine Hoffnung.

Ich denke, auch ein Arbeitgeber profitiert von diesem Modell. Wenn man Teilzeit arbeitet – egal in welcher Funktion –, muss man mehr priorisieren, wird effizienter und muss ähnlich viel leisten, einfach in weniger Zeit. Jede/r weitere Mitarbeiter*in denkt zudem für die Verwaltung mit, bringt Wissen und Kontakte, egal welches Pensum für das Anstellungsverhältnis vereinbart wird. Das ist attraktiv für einen Arbeitgeber.

Wo sehen Sie Unterschiede in der Führung, wenn man in einem Teilzeitpensum führt?

Die Erreichbarkeit kann ein Thema sein. Bei einem 100%-Pensum muss man nicht viel organisieren. Wenn man hingegen nicht immer verfügbar ist, muss man es entsprechend planen und kommunizieren. Gleichzeitig finde ich, dass das Thema Erreichbarkeit etwas zu stark problematisiert wird. Es gibt Unterschiede zwischen Anwesenheit, Erreichbarkeit und Präsenz, die unter Umständen viel ausmachen.

Grundsätzlich sehe ich nicht viele Stolpersteine beim Führen in Teilzeit, und insgesamt funktioniert mein 70%-Pensum sehr gut, auch für meine Mitarbeitenden und meinen Vorgesetzten. Damit wir in regelmässigem Austausch stehen, führe ich mit meinem Team jede Woche eine Besprechung durch. Auch mit meinem Vorgesetzen treffe ich mich regelmässig. Ausserdem führen wir alle diszipliniert unsere Outlook-Kalender und tragen dort Abwesenheiten, Homeoffice-Tage und ähnliches ein.

Ganz generell ist es mir ein Anliegen, dass meine Mitarbeitenden fähig sind, ihre Arbeit selbständig zu machen und dass sie das auch machen dürfen. Ich muss nicht jedes Komma kontrollieren. Wenn sie unsicher sind, wissen sie, dass sie mich fragen können. Das ist für mich eine solide Grundlage, um gut zusammenzuarbeiten.

Wie teilen Sie Ihre 70 Prozent ein?

Ich verteile die 70 Prozent auf vier Arbeitstage. Als ich die Leitung Bereich Sozialhilfe neu übernommen hatte, arbeitete ich immer vor Ort; das mache ich auch dann, wenn ich neue Mitarbeitende einarbeite. Inzwischen bin ich auch im Homeoffice tätig, und zwar an jenem Tag, an dem ich halbtags arbeite. Das kommt mir sehr entgegen und ist viel effizienter. Wenn ich ins Büro fahren würde, hätte ich fast zwei Stunden Wegzeit für rund drei Stunden Arbeit. Dank Homeoffice kann ich zudem die Kinder selbst in die Schule schicken und trotzdem schon um 7.45 Uhr mit der Arbeit beginnen.

Können Sie Ihr Pensum einhalten, bzw. wie grenzen Sie sich ab?

Ja, insgesamt komme ich gut zurecht mit den 70 Prozent. Ich werde privat nicht mit geschäftlichen Anrufen konfrontiert. Meine Mitarbeitenden sind kompetent und können Probleme selbständig lösen. Wenn jemand nicht verfügbar oder krank ist, helfen die anderen aus. Diese Arbeitskultur – nicht nur bei mir im Team, sondern in der gesamten Abteilung – weiss ich sehr zu schätzen.

Einzig bei der Personalrekrutierung kann es schwierig sein, die Arbeitstage einzuhalten. Da muss man schnell reagieren können. Deswegen habe ich auch schon eine Ausnahme gemacht und nach einem Vorstellungsgespräch an meinem freien Tag telefonisch eine Rückmeldung gegeben. Das war absolut in Ordnung für mich, zumal es auch in meinem Interesse war, und ich es im Voraus einplanen konnte.

Wo sehen Sie im Moment die grössten Risiken und Hürden beim Teilzeit-Führungsmodell?

Die Einstellung mancher Menschen und ihre Vorurteile empfinde ich als die grösste Hürde. Es gibt nach wie vor Personen – auch Frauen –, die der Meinung sind, dass man als Führungskraft Vollzeit präsent sein müsse. Diese Haltung hält sich hartnäckig, obwohl das Teilzeit-Führungsmodell immer häufiger anzutreffen ist. Ich wünsche mir mehr offene und mutige Vorgesetzte. Frauen müssen lernen, ihr Interesse offen mitzuteilen und sollen nicht darauf warten, «entdeckt» zu werden. Zusätzlich ist man als Mutter der gesellschaftlichen Kritik ausgesetzt, wenn man sagt, dass man 70 Prozent arbeite…

Meine Berufskolleg*innen reagieren aber mit Neugier, Freude und auch mit der Hoffnung, dass sich Führen in Teilzeit noch mehr verbreiten wird.

28.08.2023

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Donat Blunschi
Gemeindeschreiber und Vorsitzender der Geschäftsleitung von Fislisbach
Arbeitsmodell:Führung & Kooperation auf Distanz
Mobil-Office ist ein positiver Bestandteil eines modernen Arbeitsplatzes.

Seit Anfang 2023 können die Mitarbeitenden der Gemeindeverwaltung Fislisbach mobil-flexibel arbeiten. Die Geschäftsleitung und der Gemeinderat entschieden sich bewusst dafür, nicht nur Homeoffice zu ermöglichen, sondern den Mitarbeitenden die Freiheit zu geben, sich den Arbeitsort selbst auszusuchen. Wie das mobile Arbeiten geregelt ist und welche Erfahrungen die Verwaltung bisher damit gemacht hat, erzählt Donat Blunschi, Gemeindeschreiber und Vorsitzender der Geschäftsleitung von Fislisbach.

Donat Blunschi, was waren die Beweggründe dafür, Mobile-Office in der Gemeindeverwaltung Fislisbach einzuführen?

Die Möglichkeit von Mobil-Office ist ein weiterer Mosaikstein, mit dem wir als Arbeitgeber eine moderne und zukunftsgerichtete Arbeitsform anbieten. Was in der Privatwirtschaft schon länger praktiziert wird, ist auch in einer Gemeindeverwaltung möglich. Damit wird den aktuellen Mitarbeitenden eine individuelle Möglichkeit geboten, um die berufliche Tätigkeit besser auf das Privatleben abzustimmen, was die Motivation fördert und zudem ein Vorteil zur Anwerbung von neuen Fachkräften ist.

Wie sehen die Rahmenbedingungen für das Mobile-Office der Gemeindeverwaltung Fislisbach aus?

Zunächst gilt es zu betonen, dass Mobile-Office nur gewährt wird, wenn der Schalterkontakt und die Präsenz vor Ort der Abteilung während den festgelegten Öffnungszeiten der Gemeindeverwaltung durch andere Mitarbeitende sichergestellt sind. Weiter sollte regelmässiges mobiles Arbeiten in der Regel an den gleichen Arbeitstagen und in ähnlichem Umfang erfolgen. Unsere Arbeitszeitregelung gilt auch im Mobile-Office, d.h. die Mitarbeitenden können ihre Arbeit von Montag bis Freitag zwischen 6.00 und 20.00 Uhr erledigen. Das mobile Arbeiten wird mit unserem Zeiterfassungssystem für die anderen Abteilungen bzw. Arbeitskollegen sichtbar.

Bezüglich des Arbeitsortes gibt es keine Einschränkungen, er sollte jedoch in der Schweiz und nicht im Ausland sein. Wichtig ist natürlich, dass die elektronischen Kommunikationsmittel funktionieren und sicher sind.

Welche weiteren Voraussetzungen sollten erfüllt sein, damit jemand mobil-flexibel arbeiten kann?

Grundsätzlich muss die konkrete Tätigkeit für das mobile Arbeiten geeignet sein. Zudem sollten ein geeignetes Umfeld und ein passender Arbeitsplatz für das Mobile-Office vorhanden sein. Die Erreichbarkeit und Kommunikation müssen telefonisch und per E-Mail gewährleistet sein. Weiter ist es wichtig, dass die Vorschriften zum Datenschutz der öffentlichen Verwaltung eingehalten werden können. Und nicht zuletzt ist es uns ein Anliegen, dass alle Teams sicherstellen, dass an ein bis zwei Tagen pro Woche das ganze Team vor Ort in der Verwaltung ist.

Wie ist das Vorgehen, wenn Mitarbeitende neu mobil-flexibel arbeiten möchten?

Mitarbeitende können bei ihrer vorgesetzten Person ein Gesuch um regelmässiges mobiles Arbeiten einreichen. Die vorgesetzte Person entscheidet über den Antrag; bei den Abteilungsleitenden tut dies die Geschäftsleitung. Wird das Gesuch bewilligt, ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen der vorgesetzten Person und der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters notwendig. Darin wird auch die Einhaltung des Reglements, insbesondere die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen, bestätigt. Die Vereinbarung ist beidseitig zu unterzeichnen und wird im Personaldossier abgelegt.

Wie ist der Datenschutz im Mobile-Office geregelt?

Die Vertraulichkeit, Verfügbarkeit und Integrität der Informationen sowie die physische Aufbewahrung von Daten unterliegen den allgemein massgebenden Datenschutzbestimmungen. Zuständig für die Einhaltung der Vorschriften im privaten Umfeld sind die Mitarbeitenden. Beim mobilen Arbeiten sind in Bezug auf den Datenschutz insbesondere folgende Punkte speziell zu berücksichtigen:

  • Dokumente dürfen nicht auswärts entsorgt werden. Sämtliches gedrucktes Papier ist in der Verwaltung zu vernichten.
  • Alle Dokumente und Akten sind für Dritte nicht einsehbar aufzubewahren.
  • Der Arbeitgeber erwartet, dass geschäftliche Telefonate, wenn immer möglich, in einem separaten Raum ohne Störungen durch Dritte geführt werden.

Stellt die Verwaltung Infrastruktur für das Mobile-Office zur Verfügung?

Wenn Mitarbeitende mobil-flexibel arbeiten, sollen sie die Laptops des Betriebs verwenden, sofern vorhanden. Alle weiteren elektronischen Arbeitsgeräte, das Mobiliar und das benötigte Büromaterial beschaffen sie selbst.

Unterstützt die Verwaltung Mitarbeitende finanziell, wenn sie mobil-flexibel arbeiten?

Nein, das mobile Arbeiten ist eine freiwillige Arbeitsform. Allen Mitarbeitenden der Gemeinde  Fislisbach steht ein Arbeitsplatz in der Verwaltung zur Verfügung. Für die Nutzung des privaten Internetzugangs, des Telefons sowie privater Büroeinrichtungen etc. wird aus diesen Gründen keine Entschädigung entrichtet.

Machen die Mitarbeitenden Gebrauch von der Möglichkeit, mobil-flexibel zu arbeiten?

Diejenigen Mitarbeitenden, die bisher Homeoffice gemacht haben, sind auf Mobile-Office umgestiegen. Von neu angestellten Mitarbeitenden wird Mobil-Office geschätzt und teilweise genutzt.

Was schätzen die Mitarbeitenden an dieser Arbeitsform?

Sehr geschätzt wird die Möglichkeit, auf persönliche Situationen flexibel reagieren zu können. Früher mussten Mitarbeitende frei nehmen, wenn der Monteur zuhause ein Küchengerät oder die Storen reparieren kam. Zudem müssen die Mitarbeitenden auf dem Arbeitsweg nicht mehr zwingend im Stau stehen, sondern können auf solche Ereignisse reagieren und ausserhalb des Gemeindehauses ihre Arbeit erledigen.

Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen in Bezug auf Mobile-Office?

Das Führen aus Distanz und die Teamabsprachen sind neu festzulegen und aufeinander abzustimmen. Zudem dürfen diejenigen Mitarbeitenden, welche physisch im Gemeindehaus die Schalter bedienen, wegen denjenigen, welche im Mobil-Office sind, nicht die Leidtragenden sein.

Welches sind Ihrer Ansicht nach die Erfolgsfaktoren, damit Mobile Office für alle Beteiligten funktionieren kann?

Es gelten für alle die gleichen Regeln, und eine gute Kommunikation ist vordringlich.

Inwiefern profitiert ein Arbeitgeber, wenn er seinen Mitarbeitenden Mobile-Office ermöglicht?

Es gilt die Konkurrenzfähigkeit zur Privatwirtschaft sicherzustellen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Mobil-Office ist ein positiver Bestandteil eines modernen Arbeitsplatzes und motiviert die Mitarbeitenden bei der Bewältigung der immer komplexer werdenden Arbeit.

25.09.2023

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Cornelia Müller
Gemeindeschreiberin in der Gemeinde Mönchaltdorf
Thema:Vereinbarkeit
Die Überzeugungsarbeit bleibt eine stetige Herausforderung.

Cornelia Müller ist seit 24 Jahren in verschiedenen Funktionen für die Zürcher Gemeinde Mönchaltorf tätig, seit 17 Jahren als Gemeindeschreiberin. Das Thema Gleichstellung war ihr stets ein wichtiges Anliegen. Inzwischen hat die Verwaltung einen vielfältigen Angebotskatalog, um die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu fördern.

Die Gemeindeverwaltung Mönchaltorf legt schon seit mehreren Jahren viel Wert auf die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, und hat vor fünf Jahren erstmals das «Prädikat UND» erhalten. Vor zwei Jahren fand die erste Rezertifizierung statt. Mit dem Prädikat UND werden Organisationen ausgezeichnet, welche die Vereinbarkeit und Gleichstellung in Strategie, Struktur und Kultur verankert haben.

Cornelia Müller, was hat Sie damals motiviert, diesen Prozess hin zu mehr Gleichstellung voranzutreiben?

Mit dem Thema Vereinbarkeit begann ich mich zu beschäftigen, als ich vor 15 Jahren das erste Mal Mutter wurde. Für mich persönlich war klar, dass ich im Beruf bleiben werde und auch die Funktion der Gemeindeschreiberin nicht aufgeben möchte. Deswegen machte ich mir Gedanken, wie ich alles unter einen Hut bringen kann. Ich wollte unbedingt eine aktive und engagierte Gemeindeschreiberin bleiben und nicht einfach meinen Job erledigen. Die sehr guten Betreuungsangebote in der Gemeinde Mönchaltorf und die Tatsache, dass ich bereits damals von zu Hause aus arbeiten konnte, wenn meine Tochter krank war, ermöglichten es mir, beide Leidenschaften leben zu können. Und selbstverständlich brauchte es politische Vorgesetzte, die mein Vorhaben unterstützten und Mitarbeitende auf der Verwaltung, die es mitgetragen haben.

Welche Argumente haben damals (und auch heute noch) den Gemeinderat überzeugt, die Gleichstellung gezielt zu fördern?

Das Thema der Gleichstellung, bzw. der möglichst guten Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, wird mit der zunehmenden Problematik des Fachkräftemangels immer wichtiger. Der Gemeinderat Mönchaltorf wollte mich glücklicherweise auch nach der ersten Mutterschaft als Gemeindeschreiberin behalten. Deshalb liess er sich auf das Abenteuer ein – dafür bin ich dem damaligen Gemeinderat immer noch dankbar. Heute, 15 Jahre später, bin ich längst nicht mehr die einzige Mitarbeitende, welche die Bemühungen der Gemeinde Mönchaltorf als Familienmensch schätzt. Wir haben weibliche wie auch männliche Kadermitarbeitende, welche die flexiblen Möglichkeiten der Arbeitszeitgestaltung und auch ihr Wunschpensum in Teilzeit schätzen und deshalb bei uns arbeiten. Das sind sehr gut qualifizierte Fachkräfte, die wir mit der Elternschaft nicht verloren oder gerade eben aufgrund unserer Bemühungen erst auf unsere Verwaltung aufmerksam gemacht und schliesslich gewonnen haben.

Welche Stolpersteine gab es auf dem Weg hin zu einer familienfreundlichen und flexiblen Verwaltung?

Die Überzeugungsarbeit bleibt eine stetige Herausforderung. Es gibt natürlich auch beim Thema Vereinbarkeit oder Gleichstellung die andere Seite der Medaille. Toll ist es, wenn man die freien Stellen mit gut qualifiziertem Personal besetzen kann – gerade, weil wir mit unseren Bemühungen positiv auf uns aufmerksam machen können. Es gab aber auch schon schwierige Situationen, wenn beispielsweise das Jobsharing nicht funktionierte, die Koordination verschiedener Teilzeitstellen nicht optimal lief oder es direkt nach Mutterschaftsurlauben Kündigungen gab. Das ist aus betrieblicher Sicht nicht ideal, wenn man teure Lösungen mit externen Springern zur Überbrückung eines Mutterschaftsurlaubs in Kauf genommen hatte und sich die gut qualifizierte Berufsfrau doch für einen Stellenwechsel entschied, zum Beispiel um den Arbeitsweg zu optimieren. Das sind Situationen, die nicht überall gut ankommen. Da braucht es immer wieder Überzeugungsarbeit. Wichtig ist, auch die Erfolgsgeschichten nicht als selbstverständlich abzutun, sondern diese ebenfalls aktiv zu kommunizieren. Die schwierigen Vorkommnisse werden sowieso diskutiert.

Mönchaltdorf hat zwei Kinderbetreuungsstätten, die als Gemeindebetriebe geführt werden; zum einen eine Kinderkrippe mit 48 Plätzen, zum anderen einen Hort zur Betreuung von Schüler*innen mit 120 Plätzen. Welche weiteren Angebote gibt es, um die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu fördern?

Wir haben eine Jahresarbeitszeit mit uneingeschränkten Kompensationsmöglichkeiten und flexible Arbeitsmodelle: mehr Ferien, ortsunabhängiges Arbeiten, familienfreundliche Arbeitszeiten, etc.

Weiter unterstützen wir Teilzeitarbeit – und zwar für beide Geschlechter und auf allen Hierarchiestufen – und legen bei allen Mitarbeitenden Wert auf eine faire Entlöhnung. Ausserdem bieten wir einen Mutter- und Vaterschaftsurlaub an; die Möglichkeit, diesen mit unbezahltem Urlaub zu verlängern und in einem Teilpensum an den Arbeitsplatz zurückzukehren. Wir haben subventionierte Kinderbetreuungsmöglichkeiten und stellen bezahlte Tage bei Abwesenheit wegen kranker Kinder zur Verfügung. Auch kommen wir Mitarbeitenden entgegen, die Angehörige betreuen und pflegen.

Wichtig bei all diesen Angeboten ist, dass sie schriftlich festgehalten werden, damit sie unabhängig von der obersten Führungsebene weiterbestehen. Zudem bleiben wir mit unseren Mitarbeitenden im Gespräch. Die Themen der Vereinbarkeit werden regelmässig besprochen und proaktiv durch die Vorgesetzten eingebracht. So handelt es sich nicht bloss um lose Lippenbekenntnisse, sondern die Angebote werden aktiv und wohlwollend im Alltag gelebt.

Können Sie einen Einblick geben, wie diese Angebote konkret gelebt werden?

Im Werk-Team haben wir zwei junge Familienväter, die im Alltag einen Teil der Kinderbetreuung übernehmen. Das heisst, der eine kommt einmal pro Woche etwas später zur Arbeit, weil er mit den Kindern das Frühstück geniesst und sie in die Schule schickt. Der andere geht einmal pro Woche früher, weil dies sein Papi-Abend ist. Weiter haben wir einen Familienvater auf der Verwaltung, der Teilzeit tätig ist und so seiner Betreuungsarbeit zu Hause nachkommen kann.

Wenn die Kinder krank sind, kann es ab und zu einen zusätzlichen Ausfalltag oder einen weiteren Homeoffice-Tag geben. Viele unserer Hortmitarbeitenden sind Mütter und schätzen es, dass sie während den Schulwochen über ihrem Pensum arbeiten und die dadurch entstehende Mehrarbeit in den Schulferien kompensieren können. Das neuste Beispiel betrifft unsere jüngste Mitarbeiterin im Team: Sie wird einen Nachmittag pro Woche im Homeoffice arbeiten und hat so die Möglichkeit, eine längere Mittagspause zu machen. In der verlängerten Mittagspause wird sie ihre pflegebedürftige Grossmutter im Altersheim besuchen, weil diese am Abend für Besuch zu müde ist. So kann die verbleibende Zeit noch regelmässig gemeinsam genossen werden.

Was schätzen die Mitarbeitenden in der Verwaltung am meisten an ihrem Arbeitgeber?

Ich denke, die grosse Flexibilität in der Gestaltung ihrer persönlichen Arbeitszeit und des eigenen Arbeitsalltags schätzen unsere Mitarbeitenden am meisten. Wichtig ist dabei die seriöse Absprache im Team, damit der Betrieb zu jeder Zeit trotz den flexiblen Arbeitszeitmodellen sichergestellt werden kann. Zentral dabei ist aber auch, dass unvorhergesehene Absenzen – zum Beispiel, wenn die eigenen Kinder krank sind – vom Arbeitgeber wie auch vom eigenen Team wirklich akzeptiert und mitgetragen werden. Es sorgt nicht für Zufriedenheit am Arbeitsplatz, wenn solche Absenzen in einem Personalreglement zwar zugelassen werden, aber ein komisches Bauchgefühl oder sogar ein schlechtes Gewissen aufkommt, wenn man davon Gebrauch macht.

Selbstverständlich ist für uns auch, dass die persönlichen Bedürfnisse der Mitarbeitenden unterschiedlich sein können. Nicht alle haben Kinder und brauchen die Flexibilität in der Gestaltung der eigenen Arbeitszeit für die Betreuungsarbeit. Vielleicht ist es ein spezielles Hobby oder eine sonstige Verpflichtung, der gerne nachgekommen wird. Auch das gehört zur Vereinbarkeit in unserer Verwaltung.

In Mönchaltorf werden mehrere Abteilungen von Frauen geführt, beispielsweise die Bau- und Liegenschaftenverwaltung, die Kanzlei, der Bereich Soziales usw. In anderen Verwaltungen gibt es deutlich weniger weibliche Führungskräfte. Was braucht es, damit Frauen zukünftig (noch) mehr Führungspositionen in der öffentlichen Verwaltung übernehmen?

Meiner Ansicht nach geht es um unsere interne Haltung und die ehrliche Akzeptanz in diesem Thema. Unsere Kaderfrauen sind motiviert und leisten hervorragende Arbeit, weil sie eben auch ihre zweite Leidenschaft – die Familie – im gewünschten Masse leben können. Unseren Berufsfrauen ist es zum Beispiel wichtig, die Kinder am «Räbeliechtli-Umzug» begleiten zu können. An diesem Abend findet dann eben keine Sitzung statt. Auch brauchen sich unsere Kaderfrauen nicht umständlich zu erklären, wenn es einmal zehn Minuten später wird, weil die Verabschiedung von den Kindern am Morgen etwas mehr Zeit in Anspruch nahm. Umgekehrt ist die Motivation ist immer da, die verpasste Arbeitszeit umso effizienter aufzuholen und den eigenen Beitrag in einer hohen Qualität zu leisten. Weiter finde ich es wertvoll, dass unsere Kadermänner flexible Arbeitsmodelle nutzen, um zu Hause regelmässig präsent zu sein.

Bei uns halten sich die positiven wie auch die eher kritischen Aspekte die Waage – ein Erfolgsmodell!

Was kann ein Arbeitgeber tun, um Frauen gezielt zu fördern?

Wichtig finde ich, dass ich Berufsfrauen, die einen Familienwunsch haben, aufzeigen kann, welche Möglichkeiten es bei der Gemeinde Mönchaltorf gibt, beides unter einen Hut zu bringen. Klar ist es für mich etwas einfacher, weil ich von meinen eigenen Erfahrungen berichten kann. Der Beweis, dass es funktionieren kann, ist sozusagen vorhanden – auch über viele Jahre hinweg. Ein zentraler Aspekt ist das Aushandeln des Pensums. Zum einen muss dieses genug hoch sein, um die Funktion auch nach einer Mutterschaft in der gewünschten Qualität ausüben zu können. Auf der anderen Seite ist es aber auch wichtig, dass die Berufsfrau genügend Familienzeit kriegt, um diese nach ihren ganz persönlichen Wertvorstellungen leben zu können. Zur Förderung gehört auch die Möglichkeit für Aus- und Weiterbildungen, unabhängig vom Pensum. Nur so können die Mütter fachlich mithalten und neben den Familienpflichten auch ihre Karriere pflegen.

Die faire Entlöhnung ist aus meiner Sicht auch ein wichtiger Aspekt bei diesem Thema. Es ist schon öfter vorgekommen, dass Frauen eher zu tiefe Lohnvorstellungen kommuniziert hatten und wir sie bei der Anstellung deutlich höher einreihten. Das ist mir bei Männern noch fast nie passiert. Wir haben eine sehr faire Entlöhnung, ganz unabhängig vom Geschlecht, weil wir bei Bedarf aktiv höhere Einreihungen vorgenommen haben, als von Bewerberinnen eingefordert wurden. Es braucht einen ganzen Strauss an Massnahmen, um gut qualifizierte Frauen nicht zu verlieren. Die Mühe lohnt sich – da bin ich vollkommen überzeugt davon.

01.12.2023

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